Sie haben für Ihre CD Klangjuwelen der großen Freude tibetische Gesänge aufgenommen. Wie haben Sie sich dieser Musik genähert?

Ich habe als Kind schon immer gern gesungen und getextet. Wie viele Dinge in meinem Leben ist diese Affinität zu komponieren und mit dem Klang zu spielen über lange Zeit in mir gereift. Meine 14 Jahre in Asien haben mein Ohr an diese fremden Melodien gewöhnt. Wenn ich einen so wunderschönen poetischen Text wie zum Beispiel Das uranfänglich reine Licht lese, stellt sich bei mir bald der Wunsch ein, dem eine Melodie zu geben. Inspiriert haben mich auch die Lieder, die ich auf meinen Reisen im Himalaja von den Yogis hörte, die frei und spontan gesungen haben. Ich habe die Vorstellung, dass man mit der Stimme einen inneren Gesang ausdrückt und das natürliche, ungekünstelte Stimmpotenzial freilegen kann.

Das heißt, wenn ich die innere Klangsäule durch meine Körperhaltung aufrichte, habe ich ein ganz bestimmtes Timbre, was ich so freilegen kann. Dabei kommt mir mein Yoga-Training sehr zur Hilfe. Ich habe begonnen, indem ich sehr viel mit dem Laut A gearbeitet habe. Ein zentraler Laut in der buddhistischen Praxis, von dem man sagt, dass er Grundlage aller Klänge ist. Das A schwingt in allen Tönen immer mit. Alle Laute und Klänge sind auf diese Weise Teil und Ausdruck des unermesslichen Raums, der sie hervorbringt. Und dieser Raum ist sehr wichtig für die Gesangspraxis. Raum im Becken, Raum im Brustkorb, Raum im Geist. Man sagt, der Ton A ist der weibliche Aspekt des Ur-Buddha.

Unter welchen Kriterien haben Sie die Texte ausgesucht?

Mir ist bewusst, wie groß die Verantwortung ist, Texte

für eine CD zusammenzustellen, die ursprünglich nicht für derartige Aufnahmen gedacht sind. Es sind sehr traditionelle Texte, die ich übersetzt habe und bei denen ich immer wieder meine Motivation abwägte. Ich habe mich jedes Mal gefragt: Ist dieser Text sinnvoll für die CD, ist er heilsam für alle Menschen, die diesen Text hören? Das heißt, ist er nicht zu speziell, so dass er nur zu einer bestimmten Praxis gehört und nicht aus diesem Zusammenhang herausgenommen werden sollte. Ich habe versucht, in der Übersetzung so authentisch wie möglich zu bleiben. Ohne den Inhalt zu berücksichtigen, wollte ich, dass beim Hören Klarheit, Offenheit und Weite vermittelt werden. Qualitäten, die man in der Meditationspraxis offen legt, sollten durchschimmern. VISIONEN/6/2005 Das Gespräch führte Claudia Hötzendorfer